Anders/Gehle - Das Assessorexamen im Zivilrecht - 15. Auflage 2022
ISBN 978-3-8006-6574-7 675 Seiten
Der Anders/Gehle ist das Standardwerk für das Assessorexamen im Zivilrecht, also für das Zivilrechtsexamen im Referendariat. Entsprechend ist es für Studierende in der universitären Ausbildung NICHT geeignet. Man findet hier zwar viele wichtige Informationen aus dem Bereich des Zivilprozessrechts, das Werk ist jedoch für die Erstellung eines Zivilurteiles gedacht. Da dies nicht Stoff im ersten Examen ist, ist dieses Werk hierfür auch nicht geeignet. Das Lehrbuch ist das Standardwerk für die Erarbeitung eines Zivilurteiles. Dies geht sogar so weit, dass alles, was hier an Formulierungshilfen als richtig angesehen wird. Dies ist insofern hilfreich, da es für die Formulierungen oft keine gesetzlichen Regelungen gibt und sich diese eher so herausgebildet haben. So kann man blind Karteikarten für die Formulierungen erstellen oder in der praktischen Ausbildung nutzen, ohne sich zu große Sorgen machen zu müssen.
Schön ist auch, dass der Anders/Gehle thematisch weitestgehend gut strukturiert ist. In den ersten beiden Punkten beschreibt der den „allg. Teil“ der Urteilserstellung. Hier geht es darum, wie das normale Zivilurteil aufgebaut ist, und wie man sich der Klausur (Aktenauszug) arbeitstechnisch annähern muss. Dies ist auch dringend geboten, da die Erstellung eines Urteiles nichts mit der eines Gutachtens zu tun hat, insbesondere weil der Geschehensablauf weitestgehend strittig seien kann und große Teile nichts mit dem Jura zu tun haben, dass man im ersten Staatsexamen benötigt. Zudem gibt es einen ausführlichen „Besonderen Teil“, der die unterschiedlichen prozessualen Besonderheiten und Probleme ausführlich erklärt und immer darauf bezieht, wie sich das Urteil im Besonderen durch sie ändert. Beim Fallbezug ist der Anders/Gehle ebenfalls besonders stark. Zu allen Bereichen gibt es ausführliche Formulierungen, die der Referendar einfach übernehmen und lernen kann. Wie oben angemerkt gilt alles, was im Anders/Gehle gilt als richtig. Entsprechend sind die vielen Formulierungshilfen eine große Hilfe. Fallbeispiele gibt es einige, wobei sich diese immer auf die konkreten prozessualen Probleme bzw. Situationen beziehen. Materielles Recht und Fälle werden hier NICHT behandelt. Der Schreibstil ist in der Regel gut verständlich. Gerade da immer Formulierungshilfen und Beispiele angeführt werden, ist der Inhalt gut begreifbar gemacht worden.
Das Buch ist auch weitestgehend gut strukturiert. Zuerst werden die allgemeinen Anforderungen und Bestandteile eines Zivilurteils, namentlich Rubrum, Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründe im Einzelnen dargestellt und erläutert. Danach werden die Modifikationen dieser Grundlagen durch besondere prozessuale Umstände dargestellt. Oft wird hier auch innerhalb der prozessualen Besonderheiten ein einheitlicher Aufbau im Buch gewählt. Allein die Darstellung des Tatbestandes in einem ersten Teil vor dem Rest des Urteils ist verwirrend. Auch wäre es schöner gewesen ein getrennten Punkt für die Darstellung eines Gutachtens bzw. einer Relation zu wählen. Dieses ist immer wieder parallel bei der Erarbeitung des Urteils eingebaut, was ein wenig verwirrend seien kann. Große Schwächen hat der Anders/Gehle nicht. Er ist jedoch sehr dick, was manche abschrecken mag. Zudem fehlt es doch an praktischen Fällen zur Bearbeitung. Dies ist kein Fallbuch, sondern ein klassisches Lehrbuch, wie man es auch aus dem ersten Staatsexamen kennt. Wer damit schon früher nichts anfangen konnte, sondern Skripte bevorzugte, könnte auch hiermit Probleme kriegen.
Ich würde es definitiv weiterempfehlen! Mir gefällt der strukturierte Aufbau sehr gut. Der Anders/Gehle ist das perfekte Werk zur Nacharbeitung der ZivRI-AG in der ersten Ausbildungsstation. Der Preis ist zwar happig, deswegen kann es geboten sein, dies ihn an der Stammdienststelle auszuleihen. Alternativ gibt es ihn auch in dem meisten Unibibs. Neben der Nacharbeit bzw. Vorarbeit für die AGs ist der Anders/Gehle auch gut für die Praxistätigkeit geeignet. Natürlich sollte man bei Gelegenheit immer die Informationen nutzen, die man vom Ausbilder/der Ausbilderin bekommt, diese verweisen aber auch gerne auf dieses Werk. Damit kann man hier auch immer Sachen nachschlagen, die man wegen der fehlenden Examensrelevanz nicht gelernt hat oder man noch nicht besprochen hat.