Ahrens/Spickhoff - Deliktsrecht - 1. Auflage 2022
C.H Beck ISBN: 978-3-406-77360-0 706 Seiten
Das Werk aus der Reihe „Großes Lehrbuch“ des Verlags C.H. Beck behandelt auf 706
Seiten das Deliktsrecht einschließlich seiner wirtschaftsrechtlichen, prozessualen und
grenzüberschreitenden Bezüge sowie des allgemeinen Schadensrechts. Aus dem
ursprünglich als Neuauflage des Lehrbuchs von
Deutsch/Ahrens
geplanten Werk ist damit
eine umfassende und vertiefte systematische Darstellung des nationalen deliktischen
Haftungsrechts geworden. Das Buch verfolgt das Ziel, die Deliktstatbestände des BGB mit
den deliktsrechtlichen Sondervorschriften (z.B. im StVG, ProdHaftG, UWG und GWB) zu
verknüpfen, die gemeinsamen Strukturen aufzuzeigen und Konkurrenzfragen zu klären.
Daneben wird eine Reihe hochaktueller deliktsrechtlicher Fragen diskutiert, vor allem aus
dem Bereich des Wirtschaftsrechts.
Das Buch befasst sich zunächst mit den Grundlagen, also Gegenstand, Begriff, Historie und
Zweck des Deliktsrechts. Dabei werden auch die rechtsvergleichende Perspektive und der
Einfluss des Unionsrechts auf das nationale Deliktsrecht in den Blick genommen. Im zweiten
Teil ziehen die Autoren didaktisch und systematisch sinnvoll die allgemeinen
deliktsrechtlichen Lehren vor die Klammer. Dadurch werden diejenigen Strukturen und
Systematiken besonders deutlich vermittelt, die alle Deliktstatbestände, ob im BGB oder in
Sondergesetzen, gemeinsam haben. Positiv fällt aus studentischer Sicht auf, dass im ersten
Abschnitt der allgemeine Prüfungsaufbau bei Deliktstatbeständen dargestellt wird, der sich
unter Berücksichtigung weniger Besonderheiten aus allen prüfungsrelevanten
Anspruchsgrundlagen herauslesen lässt. Das kann ein unnötiges Auswendiglernen an
Stellen ersparen, an denen es nicht unbedingt notwendig ist. In den folgenden Abschnitten
werden allgemeine Fragen der Deliktshaftung wie die Abgrenzung zwischen Tun und
Unterlassen, die haftungsbegründende Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden,
Mitverschulden, Haftungsausschlüsse sowie Täterschaft und Teilnahme behandelt –
Themen, die für eine erfolgreiche Vorbereitung auf Klausuren und Hausarbeiten unerlässlich
sind. Besonders lesenswert ist die vertiefte Auseinandersetzung mit den prüfungsrelevanten
Fragen der haftungsbegründenden Kausalität und Zurechnung. Sie werden in Vorlesungen
aufgrund des engen Zeitplans notwendigerweise verkürzt behandelt und zum Teil der
eigenen Nacharbeit überlassen. Das Buch bietet die Gelegenheit, sich das Thema noch
einmal grundlegend „vorzuknöpfen“ und sich grundlegende Fragen zu beantworten.
Kern des Werks ist der dritte Teil, in dem sich die Autoren mit den einzelnen
Deliktstatbeständen innerhalb und außerhalb des BGB beschäftigen. Dogmatisch sinnvoll
werden dabei Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung getrennt behandelt. Besonders
empfehlenswert sind die Ausführungen zu den sehr prüfungsrelevanten Verkehrspflichten,
die im Zusammenhang mit der Haftung nach § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB einen eigenen
Abschnitt erhalten haben. Neben einer sorgfältigen Auswahl von Fallgruppen gehen die
Autoren auch auf die Frage des Prüfungsstandorts von Verkehrspflichtverletzungen ein. Die
beiden Folgeabschnitte zu beinhalten eine tiefgehende Auseinandersetzung mit speziellen
haftungsrechtlichen Situationen (v.a. im Wirtschaftsleben), ihren Konsequenzen für die
Auslegung und Anwendung des Deliktsrechts und den dabei relevanten Sondervorschriften.
Für Studierende dürften vor allem die Ausführungen zur Produkt- und Produzentenhaftung
und zum deliktsrechtlichen Persönlichkeitsschutz wichtig sein. Wer sich über den
Vorlesungsstoff hinaus für spannende und hochaktuelle Fragen, z.B. aus dem Bereich des
deliktsrechtlichen Schutzes des geistigen Eigentums, des Wettbewerbsrechts und/oder der
Haftung für Rechtsverletzungen in Lieferketten interessiert oder in diesem Bereich ein
Promotionsthema sucht, findet ebenfalls gute Antworten, Diskussionsbeiträge und Ansätze
für eigene Überlegungen. Für Prüfungen wieder wichtiger wird es im anschließenden
Abschnitt zur Gefährdungshaftung. Dort werden z.B. die Haftung des Kfz-Halters nach § 7
StVG und die in ihrer Klausurrelevanz nicht zu unterschätzende Tierhalterhaftung nach § 833
S. 1 BGB dargestellt.
Der vierte Teil nimmt die Rechtsfolgen der Deliktshaftung und die prozessuale Durchsetzung
deliktischer Ansprüche in den Blick. Kenntnisse im allgemeinen Schadensrecht der §§ 249 ff.
BGB, das im ersten Abschnitt behandelt wird, sind in Prüfungen an der Universität oder im
Examen ein Muss. Besonders sinnvoll und gelungen ist die den Einzelfragen zur
Ersatzfähigkeit von Personen- und Sachschäden vorgelagerte Behandlung der
schadensrechtlichen Grundfragen. Wie soll man die zahlreichen Einzelfälle zur
Ersatzfähigkeit von Schäden in den Griff bekommen und gelungen argumentieren, wenn
man weder weiß, welchen Zweck Schadensersatznormen verfolgen, wie man materielle von
immateriellen Schäden abgrenzt und was der Begriff „Differenzhypothese“ bedeutet? Der
anschließende Abschnitt zur prozessualen Rechtsdurchsetzung dürfte besonders für
Referendar:innen interessant sein. Er führt die prozessualen Fragestellungen bei
deliktsrechtlichen Fällen kompakt und gebündelt auf und ermöglicht so eine gezielte
Recherche. Wer im Schwerpunktbereich „Internationales Privat-, Wirtschafts- und
Verfahrensrecht“ unterwegs ist, findet im fünften Teil eine präzise und gute Darstellung des
IPR und des Internationalen Zivilverfahrensrechts mit Bezug zum Deliktsrecht.
Fazit: Es handelt sich schon aufgrund von Umfang und Preis nicht um ein „Lernbuch“ zur
Prüfungsvorbereitung, sondern um ein Werk mit dem wissenschaftlichen Anspruch, das
gesamte Deliktsrecht und seine systematischen Verästelungen mit anderen Rechtsgebieten
umfassend darzustellen. Erklärungen rein anhand von Fällen enthält das Werk deshalb nur
an ausgewählten Stellen. Es setzt sich aber bei den konkreten Problemen sehr ausführlich
mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinander. Das Buch soll eine tiefgreifende
Auseinandersetzung mit den systematischen Grundlagen und die eingehende Nacharbeit
und Recherche spezieller deliktsrechtlicher Problemfelder ermöglichen. Diesem Anspruch
wird das Buch vollständig gerecht. Bei der Vorbereitung auf Klausuren in Studium und
Examen bietet es Studierenden und Referendaren die verlässliche Möglichkeit,
Problemkomplexe, mit denen sie bei der Nacharbeit schon immer Probleme hatten, endlich
grundlegend zu verstehen. Bei Haus- und Seminararbeiten wird an einem Blick in das
„Große Lehrbuch“ kein Weg vorbeiführen.